Innen ein Juwel uralter Handwerkstradition
An einem Kreuzungsbereich in der Bauernschaft Dörholt, zwischen Billerbeck, Havixbeck und Nottuln, liegt die von außen schon fast unscheinbare Kalkbrennerei (ca. 1926 gebaut), von manchen als Kalkmühle bezeichnet, die jahrzehntelang von mehreren Generationen der Familie Meyer bis 2007 betrieben wurde.
Von 2008 bis 2018 wurde die Kalkbrennerei von Franz Mesenbrock gepachtet und in traditioneller Weise fortgeführt.
Der hier aus Baumberger Kalkstein hergestellte Kalk wird ebenso wie der Baumberger Sandstein (“Gold des Münsterlandes”) als wichtiges Baumaterial seit mehr als 1.000 Jahren von Steinmetzen und Bildhauern, Restauratoren und insbesondere Denkmalpflegern hoch geschätzt.
Das wichtigste Rohmaterial bei der Herstellung von Mörtel war früher Kalk. Seine mechanischen Eigenschaften in der Verwendung als Baustoff sind sehr besonders. Wenn Kalkmörtel nach der Verarbeitung trocknet, was langsam geschieht, und einer daraus folgenden ersten hydraulischen Reaktion, verfügt er über eine Druckfestigkeit, die notwendig ist für die Errichtung von hohen und komplexen Bauwerken, wie z.B. dem Billerbecker Dom. Zudem ist die Flexibilität des Materials so einzigartig, dass sogar teilweise Schäden im Mauerwerk ausgeglichen werden können, sich sozusagen der Mörtel selbst repariert.
Bauphysikalisch betrachtet hat Kalk eine offene Molekülstruktur mit einer guten Permeabilität (Durchlässigkeit) und einer niedrigen Kapillarwirkung. So wird kein Wasser lange im Mauerwerk gestaut und Platz für ruhende Luft geboten, was zu einer guten thermischen Isolierung führt.
Gelöschter Kalk wurde nicht nur für Mörtel benutzt sondern fand zudem Verwendung in Wandfarben, als Düngemittel und zur Bekämpfung von Schädlingen und Frostschutzmittel an Obstbäumen.
Im Münsterland und Umgebung gab es früher mehrere Kalkbrennereien, die häufig im Nebenerwerb betrieben wurden.
Der für die Herstellung des Kalks benötigte Baumberger Kalkstein wurde vor Ort im eigenen Steinbruch abgebaut. Die braunen Adern, die das Gestein durchziehen, verleihen dem Kalk einen warmen Ton. Eine von Seilwinden gezogene Lore zog über Schienen die Gesteinsbrocken hinauf zum Kalkofen. Dort wurden sie mit einem Vorschlaghammer von Hand zerkleinert, sodass der maschinelle Steinbrecher sie aufnehmen konnte, um sie dann auf Schottergröße zu zerkleinern. Die Kalksteine wurden danach mit einer kleinteiligen Steinkohle, die nicht zu fett und schwefelarm war, gemischt und in den großen Ringofen gegeben.
Wenn dieses Gemisch, bei einer Temperatur von ca. 900 Grad Celsius durchgebrannt war, war der Stein, aus dem das gebundene Kohlendioxyd entwich, porös. Von Hand wurde der gebrannte Kalk aus dem Ofen geschaufelt und mit Wasser abgelöscht. Danach wurde der pulverisierte Kalk gesiebt und mit Hilfe eines großen Förderbandes in den Trichter der Abfüllanlage transportiert, wo er dann in Papiersäcken abgefüllt wurde.
„Meyer’s Kalk“ fand als geschätzter Baustoff, selbst über die Grenzen Deutschlands hinaus vielfältig Verwendung. Ein von Ida und Josef Meyer angelegter Ordner, der leider nicht mehr existiert, dokumentierte die Referenzobjekte bei denen „ihr“ Kalk zum Einsatz kam.
Nach einer vorläufigen Unterschutzstellung der Kalkbrennerei im Jahr 2018 erfolgte am 5.4.2019 der finale Denkmalschutz und der Eintrag in die Denkmalliste Billerbecks.
Im Jahr 2020 war Grund und Boden, auf dem sich die Kalkbrennerei und der Steinbruch befindet, an einen Landwirt, verbunden mit einer Auflage, verkauft.
Daher ist mit Wehmut davon auszugehen, dass die letzte Kalkbrennerei der Baumberge nicht wieder betrieben wird. Ein kleiner Trost bleibt für die Natur!
Da der aufgegebene Steinbruch, aus dem das Gestein für diesen besonderen Baustoff mit seiner eigentümlichen Farbigkeit abgebaut wurde, nicht verfüllt wird, hat die Natur nun die Möglichkeit, sich selbst zu renaturieren, um neuen Lebensraum für besondere Arten von Flora und Fauna zu bieten.
Die Chemie des Kalkbrennens
- Beim Brennen (ca. 900 Grad) des Kalksteins (Calciumcarbonat) entweicht Kohlenstoffdioxyd, wobei Calciumoxid entsteht. CaCO3 -> CaO + CO2
- Durch die Zugabe von Wasser nach dem Brennen erhält man gelöschten Kalk (Calciumhydroxid) als lockeres Pulver. CaO + H2O -> Ca(OH)2
- Gibt man zu diesem Pulver Sand und weiteres Wasser hinzu ist dieser Kalkbrei als Mörtel verwendbar. Beim Abbinden des Mörtels reagiert dieser „Kalkbrei“ mit dem Kohlenstoffdioxid der Luft und bildet einen harten kristallinen Kalk. Ca(OH)2 + CO2 -> CaCO3 + H2O