Heimatverein Billerbeck
bewahren und beleben

Ein Ort
der Kontemplation

Dem Johan­ni­kirch­platz als die „gute Stu­be Bil­ler­becks“ möch­ten wir einen beson­de­ren Rah­men geben. Die bedeut­sa­me Pfarr­kir­che St. Johan­nes der Täu­fer kurz Johan­nis­kir­che genannt, namens­ge­bend für die­sen Kirch­platz, stel­len wir selbst­ver­ständ­lich vor­an. 

Die Johan­nis­kir­che gehört zu den ältes­ten Kir­chen im Bis­tum Müns­ter und ist der ältes­te Sakral­bau Bil­ler­becks. Sie zählt zu den müns­ter­län­di­schen Stu­fen­hal­len­kir­chen, bei der die Bau­form so aus­ge­führt wur­de, dass die Gewöl­be der drei Kir­chen­schif­fe in glei­cher Höhe ansetz­ten, was im Innen­raum der Kir­che gut zu erken­nen ist. 

Zur Bau­ge­schich­te erga­ben archäo­lo­gi­sche Unter­su­chun­gen (1983–85) Erkennt­nis­se über vier Bau­pe­ri­oden. Aus­gra­bun­gen haben belegt, dass im 8. Jahr­hun­dert die ers­te Kir­che als ein­schif­fi­ger Bau auf altem Sied­lungs­ge­biet errich­tet wor­den war. Sie gilt als Urpfarr­kir­che Bil­ler­becks. Der ers­te Bischof von Müns­ter, Lud­ge­rus soll in 809 sei­ne letz­te Mes­se in St. Johann gehal­ten haben. 

Ein Neu­bau erfolg­te Mit­te des 11. Jahr­hun­derts. Das ältes­te nach­weis­ba­re Bau­da­tum wird auf das Jahr 1074 datiert (Wei­he des Hoch­al­tars). Ledig­lich unte­re Tei­le des Kirch­tur­mes und der Grund­stein sind von die­sem Bau noch erhal­ten. 

Der Grund­stein für den heu­ti­gen Kir­chen­bau wur­de im Jahr 1234 gelegt. Im Jahr 1425 erfolg­ten der Anbau der Sakris­tei und ein goti­scher Umbau. Die weni­gen bau­li­chen Ver­än­de­run­gen beschrän­ken sich auf eini­ge goti­sche Fens­ter und einen Durch­gang vom nörd­li­chen Sei­ten­schiff zum Chor. An der Ost­sei­te des Cho­res befin­det sich ein goti­sches Fens­ter, das zwi­schen­zeit­lich zuge­mau­ert war und im Zuge von Reno­vie­rungs­ar­bei­ten im Jahr 1983 wie­der geöff­net wur­de. 

Im Wesent­li­chen ist die­se Kir­che unver­än­dert erhal­ten geblie­ben und zählt zu den präch­tigs­ten spät­ro­ma­ni­schen Bau­wer­ken West­fa­lens.  

Von der Fuß­gän­ger­zo­ne aus kom­mend, fällt der Blick zunächst auf den 78 Meter hohen Kirch­turm mit sei­nem mäch­ti­gen Spitz­helm. Unter­halb die­ser nörd­lich gele­ge­nen Sei­te des Turms befin­den sich auf einem Sockel eine Kreu­zi­gungs­grup­pe, Chris­tus und die bei­den Scha­cher. Im Jahr 1983 wur­de die­ses Ensem­ble umfäng­lich restau­riert. 

Ober­halb der Kreu­zi­gungs­grup­pe ange­bracht ist eine Uhr, die täg­lich von Hand auf­ge­zo­gen wird. Auf dem Zif­fer­blatt steht die Jah­res­zahl 1876. Inter­es­sant ist die Abbil­dung eines Sen­sen­man­nes mit einer Sand­uhr, sinn­bild­lich für die ver­gäng­li­che Zeit der Men­schen. 

Die Nord­sei­te der Kir­che ist ins­ge­samt pracht­voll. Hier fällt beson­ders das kunst­voll gestal­te­te Haupt­por­tal, vier­fach gestuft mit rei­chem Kapi­tel­l­schmuck, aus dem 13. Jahr­hun­dert ins Auge. 

Bei einem Gang durch die Kir­che, mit Blick auf die Bau­wei­se, sind fran­zö­si­sche Impul­se eines Bau­meis­ters beson­ders gut an den Pfei­ler­bün­deln erkenn­bar. 

Die Kunst­wer­ke der wert­vol­len Innen­aus­stat­tung sind nicht nur für Kunst­his­to­ri­ke­rIn­nen ein Hoch­ge­nuss, son­dern eben­so für zahl­rei­che Besu­che­rIn­nen die­ser Kir­che. Ver­schie­de­ne Epo­chen spie­geln sich, viel­fäl­tig hand­werk­lich aus­ge­führt, wider.  

Beson­ders ein­drucks­voll sticht die viel­far­bi­ge, goti­sche Dop­pel­strah­len­ma­don­na aus der Zeit um 1480 her­vor. 

Erst spä­ter (1994) hielt das Tri­umph­kreuz (um 1430) mit zwei aus Sand­stein gefer­tig­ten Neben­fi­gu­ren Ein­zug in die Johan­nis­kir­che. Zuvor hing die­ses Holz­kreuz von 1959 – 1986 in der klei­nen Kapel­le des Lud­ge­rus-Brun­nens. 

Am aus einem Stück gefer­tig­ten, mit bild­haue­ri­schem Schmuck ver­se­he­nen, kelch­för­mi­gen goti­schen Tauf­stein aus dem Jahr 1497 wer­den heu­te noch Kin­der in Bil­ler­beck getauft. 

Bei der in der Spät­re­nais­sance ent­stan­de­nen auf­wen­dig deko­rier­ten Kan­zel doku­men­tiert eine Inschrift das Jahr 1581. 

Der Mag­da­le­nen­al­tar ist ein von der Renais­sance in den Früh­ba­rock über­ge­hen­des Kunst­werk. 

Ein Barock­werk aus dem Jahr 1618 sind die Figu­ren des Welt­hei­lands und der Him­mels­kö­ni­gin. 

Wei­te­re beein­dru­cken­de Kunst­wer­ke schmü­cken die­se Kir­che und es lohnt eine Besich­ti­gung, für die man sich Zeit neh­men soll­te. 

Bemer­kens­wert ist, dass die­se Kir­che zu den weni­gen in Deutsch­land gehört, deren Glo­cken von Hand gezo­gen wer­den. 

Bei dem Anschla­gen der Glo­cken, dem soge­nann­ten „Bei­ern“, wer­den die Klöp­pel ange­bun­den und gezo­gen und nicht die Glo­cken geschwun­gen, wie sonst beim Läu­ten üblich. 

Die­se Tra­di­ti­on des Bei­erns, die frü­her von soge­nann­ten „Läu­te­jun­gen“ aus­ge­führt wur­de, beherr­schen in Bil­ler­beck meh­re­re Gene­ra­tio­nen der Fami­lie des ehe­ma­li­gen Küs­ters Paul Mey­er, der 2012 ver­stor­ben ist. 

Das Geläut der Johan­nis­kir­che erklingt mit drei unter­schied­lich gro­ßen Glo­cken. Die gro­ße Glo­cke, Sal­va­tor, wur­de 1522, die klei­ne Glo­cke, Johan­nes B., 1523 gegos­sen. Die ursprüng­li­che mitt­le­re Glo­cke, Maria, aus dem Jahr 1522 ist 1784 zer­sprun­gen und wur­de 1790 umge­gos­sen. Im Zwei­ten Welt­krieg muss­te die­se abge­ge­ben wer­den. Nach dem Krieg hielt eine im Jahr 1946 gegos­se­ne Glo­cke mit dem­sel­ben Ton wie die alte Maria – Glo­cke wie­der Ein­zug in den Kirch­turm. Es war ein gro­ßes Ereig­nis, als alle Glo­cken der „Alten Kir­che“ wie­der zum Got­tes­dienst rie­fen. 

Die kunst­ge­schicht­li­che Bedeu­tung betrach­tend gehört die­se Kir­che zu den her­aus­ra­gen­den Kunst­denk­mä­lern West­fa­lens. 

Als Ort der Ein­kehr und des Gebets lädt die Bil­ler­be­cker Pfarr­kir­che St. Johann ein. 

Sie bie­tet viel­fäl­tig Gele­gen­heit der Kon­tem­pla­ti­on, dem Rich­ten des Bli­ckes nach Etwas; ein kon­zen­trier­tes Betrach­ten mit ganz eige­nen Dimen­sio­nen. Es gilt, die­se Kir­che mit all ihren ein­zig­ar­ti­gen Qua­li­tä­ten und Beson­der­hei­ten wei­ter­hin und dau­er­haft für uns und die nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen zu bewah­ren. 

Wer ger­ne wei­te­res zu die­ser schö­nen Kir­che erfah­ren möch­te, hat die Gele­gen­heit dazu, über das Inter­net­por­tal der Pfar­rei St. Johann St. Lud­ger und natür­lich mit einer Besich­ti­gung vor Ort. 

Text: Mer­ce­des Lanio | 2022